Viele Hersteller Schummeln bei den Verpackungen

Zwei Jahre nach Freigabe der Füllmengen durch die EU geht die Schummelei weiter.

Nach dem Motto „Weniger drin, Preis gleich“. Gerade in den letzten Monaten erreichten uns besonders viele Verbraucherbeschwerden über Mogelpackungen. Vor dem Hintergrund steigender Rohstoffpreise suchen etliche Unternehmen offenbar ihr Heil in diesem Trick. So liegt der Grundpreis für das Persil Flüssigwaschmittel um mehr als 11 % höher, dadurch dass die Füllmenge von 1,5 Liter auf 1,35 Liter bei gleichem Preis reduziert wurde. Bei den Süßigkeiten Mars Minis wurde die Füllmenge von 235 g auf 221 g verringert, was einer Preiserhöhung von gut 6 % entspricht. Wir befürchten mit steigender Inflation eine Zunahme dieser Mogelpackungen. Hersteller und Einzelhändler versuchen sowohl Inflation als auch höhere Rohstoffkosten vor den Verbrauchern in kleineren Packungen zu verstecken. Verbraucher wollen aber nicht hinters Lichte geführt werden, sondern Klarheit, wenn es um Preiserhöhungen geht.
Ein weiterer Trend geht dahin, dass neue Sorten vieler Markenartikel mit geringerer Füllmenge und quasi identischer Aufmachung als Standardsorte angeboten werden. So gibt es seit Anfang April von Unilever die neue Margarine „Rama Unwiderstehlich!“ im 400 g Becher. Gegenüber der Standardsorte Rama mit 500 g ist sie bei gleichem Packungspreis um 25 % teurer. Sogenannte Schwellenpreise sollen bei Produkteinführungen nicht überschritten werden. Verbrauchern wird suggeriert, dass das neue Produkt genauso teuer ist wie das bekannte. Die Zusammensetzung der Produkte unterscheidet sich oft nur marginal, z.B. etwas mehr Saft, etwas weniger Zucker oder etwas weniger Fett. Zu dieser Masche gibt es eine Vielzahl von Beispielen: Tabelle mit 10 besonders auffälligen Produkten

Ganz schwierig wird es für Verbraucher, Füllmengenreduzierungen auf die Schliche zu kommen, wenn Produkte ein Comeback feiern. So wie aktuell die Yes Torty von Nestlé: War es bis 2003 im 38 g Pack erhältlich, sind es im April 2011 nur noch 32 g.

Die Vorgeschichte (Stand: September 2010)
Neue Tricks bei versteckten Preiserhöhungen
Seit fünf Jahren veröffentlicht die Verbraucherzentrale Hamburg eine Liste mit versteckten Preiserhöhungen, bei denen die Füllmenge verringert, der Preis aber nicht entsprechend reduziert wurde. Doch die Welle der Verbrauchermeldungen und -beschwerden zu diesem Thema ebbt immer noch nicht ab.

Jetzt wurden die ersten Produkte im Handel entdeckt, bei denen der Trick „Weniger drin – Preis gleich“ wiederholt bei demselben Produkt angewendet wurde. So reduzierte der Hersteller Procter & Gamble bei den Pringles Chips innerhalb von vier Jahren die Füllmenge von 200 g über 170 g auf aktuell 165 g. Der Packungspreis blieb entweder gleich oder stieg in diesem Zeitraum bei etlichen Händlern sogar noch von 1,59 € auf 1,99 € an. Die Preiserhöhung kann sich dadurch auf insgesamt 52 % belaufen. Auch bei Marken wie Nivea, Calgonit und Somat wurden wiederholt versteckte Preissteigerungen entdeckt. Das sind aus Sicht der Verbraucherzentrale Mogelpackungen der zweiten Generation. Vor allem Markenprodukte fallen auf. Die Anbieter setzen mit dieser Masche das Vertrauen der Verbraucher aufs Spiel.

Weitere Neuheit aus der Trickkiste: Es werden Produkte angeboten, bei denen die Füllmenge zwar erhöht wird, der Preis dazu aber überproportional steigt. So gibt es aktuell das Spülmittel ultra Palmolive in 600-Milliliter-Packungen statt wie bisher mit 500 ml, beworben auf dem Etikett „Neu + 20 % mehr Inhalt“. Der Preis stieg bei Rossmann von 0,85 € auf 1,65 €, was einer Preiserhöhung von 62 % entspricht.

Die Masche: Seit Jahren beobachten wir eine Masche im Handel und bei den Herstellern von Lebensmitteln und anderen Produkten, wir nennen sie: Weniger drin, Preis gleich. Noch deutlicher: versteckte Preiserhöhung. Das geht so: Kunden haben sich an den Preis eines Produktes gewöhnt, sagen wir 2,99 €. Statt sie jetzt durch eine nominale Preiserhöhung, sagen wir auf 3,49 €, vom Kauf abzuhalten, wird die Preiserhöhung verschleiert, indem bei gleichem Preis weniger Inhalt in die Packung gegeben wird. Manchmal ist es auch der Handel, der eine Preissenkung des Herstellers nicht an die Verbraucher weiter gibt. Durch eigene Recherchen und viele Hinweise aufmerksamer und verärgerter Verbraucher entstand eine ständig aktualisierte Liste: „Kleinere Menge – gleicher Preis“

EU-Lizenz zum Mogeln: Einen gewissen Schutz vor diesen Machenschaften bot bis April 2009 noch die Tatsache, dass für einige Produkte feste Verpackungsgrößen vorgeschrieben waren. Doch seit dem 11. April 2009 sind fast alle verbindlichen Mengenvorgaben für Lebensmittel entfallen. Eine EU-Richtlinie wurde zu diesem Zeitpunkt in nationales Recht umgesetzt. Bestimmte Erzeugnisse in Fertigpackungen konnten bis dahin nur in den für sie festgelegten Füllmengen verkauft werden. Beispielsweise durfte Milch zwichen 0,5 und 1 l nur in Fertigpackungen mit 0,5 l, 0,75 lund 1 l Inhalt abgegeben werden. Solche festen Einheiten sind nun für Milch, Wasser, Limonade, Fruchtsäfte, Zucker und Schokolade weggefallen. Nur bei Wein, Sekt und Spirituosen bleiben feste Nennfüllmengen erhalten.

Auch bei bisher geschützten Lebensmitteln können die Verbraucher durch diese EU-Lizenz zum Mogeln nun mit versteckten Preiserhöhungen hinters Licht geführt werden. Bisher haben wir aber kein Produkt entdeckt, das nach April 2009 von einem Hersteller unter Ausnutzung der neuen Möglichkeiten auf den Markt gebracht wurde. Einen Fall gibt es immerhin: Red Bull hatte schon vor dem April 2009 Getränkedosen mit 355 ml und 473 ml Inhalt in den Verkehr gebracht. Diese wurden von den Eichbehörden aufgrund der bevorstehenden EU-weiten Neuregelung geduldet. Wenn Sie weitere Fälle entdecken – wir freuen uns auf Ihren Hinweis unter ernaehrung@vzhh.de.

Unsere Öffentlichkeitsarbeit trägt sicher dazu bei, dass die übrigen Hersteller aus Furcht vor Imageverlusten vorsichtig sind und abwarten.

EU-Kommissar Verheugen kritisierte am 16.09.2009 die Verbraucherzentrale Hamburg: Er warf uns „Mogelei mit der angeblichen EU-Lizenz zum Mogeln“ vor und sagte, viele der in unserer Liste aufgeführten Produkte hätten gar nichts mit der per April 2009 EU-bedingten Freigabe der Verpackungsgrößen zu tun. Doch hier baut der Kommissar einen Popanz auf. Denn wir haben niemals behauptet, dass alle in der Liste aufgeführten Produkte auf die EU-Liberalisierung zurückgehen. Vielmehr führen wir die Liste bereits seit Jahren, also lange vor der Freigabe der Verpackungsgrößen durch die EU. Unser Kritikpunkt war und ist: Durch die seit April 2009 geltende Freigabe der Verpackungsgrößen für Milch, Wasser, Limonade, Fruchtsaft, Zucker und Schokolade wird der Mogelei jetzt auch für wichtige viel gekaufte Lebensmittel und Grund­nahrungs­mittel Tür und Tor geöffnet. Die EU gibt eine Lizenz zum Mogeln! Die Freigabe der Füllmengen ist aus Sicht der meisten Konsumenten verbraucherunfreundlich und erschwert den täglichen Einkauf. Eine Rücknahme der Freigabe ist daher dringend geboten.

Dass die Möglichkeit der versteckten Preiserhöhungen durch Füll­mengenreduzierung von Herstellern rege genutzt wird, zeigt unsere lange Liste und überdies die erste EU-Reform im Jahr 2000. Es war bis dahin z. B. für Eis üblich, Fertigpackungen in 1000 ml anzubieten. Seit der Reform sinken die Füllmengen stetig. Packungen mit 1000 ml Eis sind nur noch selten zu finden, stattdessen bieten viele Markenartikler Verpackungen mit 900 ml oder gar nur noch 850 ml an. Bei Fruchtauf­strichen (z. B. Konfitüren) sieht es ähnlich aus. 450-Gramm-Gläser sind kaum noch im Regal zu finden, stattdessen Gläser mit 340 g oder 310 g – zum Teil zum selben Preis wie vor der Reduzierung.

Weniger drin – Preis gleich: Ist das legal? Preiserhöhungen sind nicht verboten, es gilt Vertragsfreiheit. Wohl aber sind Mogelpackungen gesetzwidrig. Was im rechtlichen Sinne darunter fällt, ist oft schwierig festzustellen. Es gelten eichrechtliche Grundsätze, wonach die Packung mit der Reduzierung der Füllmenge schrumpfen muss und ein Hersteller nicht zu viel Luft in der Verpackung lassen darf. Doch wann diese Fälle im rechtlichen Sinne zur Mogelpackung werden, ist nur im Einzelfall bestimmbar.

Was soll man als Kunde tun, hilft der Grundpreis? Tatsächlich ist der Packungspreis letztlich für Preisvergleiche uninteressant. Der Grundpreis hilft nur teilweise weiter, da er vom Handel nicht immer vorschriftsgemäß ausgezeichnet wird. Wir haben bei Supermarktbegehungen immer wieder festgestellt, dass der Grundpreis fehlt, fehlerhaft oder unleserlich klein am Regal steht. Eine weitere Tücke für Verbraucher: Der Grundpreis wird gesetzlich nur für Gewichts- und Volumenangaben verlangt. Für Produkte, die pro Stück abgegeben werden, etwa Feuchttücher und Toiletten­papier, ist der Grundpreis nicht vorgeschrieben. Darüber hinaus finden die Verbraucher keine Grundpreise in kleineren Geschäften, Kiosken oder an Automaten.

Zusätzlich werden Defizite im Vollzug festgestellt. Seit der ersten Reform im Jahr 2000 sind die Eichbehörden nicht mehr für die Überprüfung der Grundpreise zuständig. In jedem Bundesland kümmert sich eine andere Behörde um die Überprüfung – oder auch nicht, denn Statistiken liegen dazu nicht vor. Verstöße gegen die Pflicht zur Grundpreisauszeichnung werden immer noch als Kavaliersdelikte angesehen.

Quelle VBT Hamburg